Ausstellung und Finisage

Am 8. Mai jährte sich zum 80. Mal das Ende des 2. Weltkrieges. Aus diesem Anlass fand vom 07. bis 23. Mai unter Federführung der Initiative Opferdenkmal und der Stadt Oberursel, unterstützt vom VFOS, eine Ausstellung statt, die auf Basis des Buches „Der Zweite Weltkrieg– Kriegskinder aus vier Nationen erinnern sich“ (vormals „Geraubte Kindheit“) von Liselotte Bieback-Diel entstanden ist. Die Ausstellung ist ein Friedensprojekt des Leipziger Fotografen, Autors und Sozialpädagogen Michael Oertel. 

 

Bereits zur Vernissage kamen rund 70 Gäste zusammen, um die Ausstellung zu sehen und mit den Protagonisten Liselotte Bieback-Diel und Michael Oertel ins Gespräch zu kommen. Mit dabei waren auch Bürgermeisterin Antje Runge, die Stadträtinnen Isabelle Tan und Christelle Anya aus Epinay-sur-Seine sowie Liz Willey aus Rushmoor. In den Redebeiträgen sowie in vielen Gesprächen wurde deutlich, dass die Erzählungen der Kriegskinder uns heute wieder ganz besonders mahnen, im Bemühen um Frieden und Freiheit nie nachzulassen und die Demokratie zu schützen. Zugleich zeige die Zeit seit dem Ende des 2. Weltkrieges, dass aus Feinden Freunde werden können.

 

Dafür stehen auch die Oberurseler Städtepartnerschaften. Das Buch, welches Grundlage für die Foto-Ausstellung war, wurde 2014 von unserem Mitglied Frau Prof. Liselotte Bieback-Diel mit Unterstützung des VFOS veröffentlicht. Dafür wurden zuvor Kriegskinder aus Oberursel sowie den Partnerstädten Rushmoor, Epinay-sur-Seine und Lomonossow interviewt. Frau Prof. Bieback-Diel nahm diese Gespräche auf, übersetzte sie mit Hilfe des VFOS und schrieb die erzählten Geschichten in ihrem Buch nieder. So entstand eine einzigartige Retrospektive von 38 Kriegskindern aus vier Nationen (Sowjetunion, Frankreich, Großbritannien und Deutschland) mit einem Abstand von ca. 60 Jahren zu den Geschehnissen.

 

Ein lebendiges Stück Geschichte, dass durch die Einzelschicksale von Kindern aus diesen unterschiedlichen Nationen besonders beeindruckend ist. Das gilt bis heute.

 

So reisten drei Nachfolgegenerationen der Familie Price Mitte Mai extra aus Rushmoor an, um die Bilder der Mutter, Oma und Uroma in der Ausstellung zu sehen. Danke in diesem Zusammenhang an unsere Mitglieder Andy und Annette Andernacht sowie die Abteilung Internationales der Stadt Oberursel für die Organisation und Betreuung, so dass die Familie aus Rushmoor neben dem Ausstellungsbesuch auch Oberursel bei einer Stadtführung (Highlight für den Urenkel: die ehemalige britische Telefonzelle in der Adenauerallee, die heute Bücher beherbergt), einem privaten Mittagessen mit Grüner Soße sowie einem Empfang im Rathaus kennenlernen konnten. 

 

Am 22. Mai schließlich läutete eine gemeinsam von der Initiative Opferdenkmal, dem Verein Kunstgriff, dem KSfO, der Stadt Oberursel und dem VFOS veranstaltete Finissage das offizielle Ende der Ausstellung ein. Im gut besuchten Hieronymi-Saal des Rathauses stellte Historikerin Angelika Rieber in einem Vortrag ihren Sammelband "Rettet wenigstens die Kinder“ von 2018 sowie neueste Recherchen dazu vor und diskutierte anschließend mit dem Publikum über die Notwendigkeit sowie über zeitgemäße Formen der Erinnerungskultur in der Gegenwart. In ihrem Buch beschreibt Angelika Rieber anschaulich die Lebensgeschichten von Kindern, die aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Glaubens Deutschland verlassen mussten. Dabei wird deutlich, wie sich die Politik der Nationalsozialisten auf das Leben dieser Kinder auswirkte, wie die erzwungene Flucht aus Deutschland und die meist endgültige Trennung von den Angehörigen ihr weiteres Leben prägte. Manche Biografien haben einen direkten Bezug zu Oberursel oder zu den Partnerstädten und damit auch zur Ausstellung "Geraubte Kindheit". 

 

Einige von euch erinnern sich sicherlich noch an Elisabeth Calvelli-Adorno. Sie und ihr Bruder Ludwig konnten mit einem Kindertransport nach England, die Oberurseler Geschwister Thomas und Gerhard Leo mit einem Kindertransport in die Niederlande gerettet werden. Die Geschwister Hirsch aus Frankfurt wurden zunächst in einem Kinderheim bei Paris unweit der Oberurseler Partnerstadt Epinay untergebracht, bevor sie nach dem Einmarsch der deutschen Truppen über Südfrankreich fliehen konnten. Viele Kindertransport-Kinder kehrten nach dem Krieg als Angehörige der alliierten Armeen nach Deutschland zurück, wie beispielsweise Felix Weil, dessen Mutter Linda aus der Oberurseler Familie Herzfeld stammte. Anselm Hirsch war nach dem Krieg als amerikanischer Soldat im Oberurseler Camp King.

 

Ohne Zweifel war der diesjährige Monat Mai in vielerlei Hinsicht, so auch unter städtepartnerschaftlichen Aspekten von historischen Ereignissen geprägt, die uns bis heute mahnen, im Ringen um Frieden, im Verteidigen von Demokratie und Freiheit nie nachzulassen.